Niemand bezweifelt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit der heutigen Entscheidung zum Transplantationsgesetz nicht etwas Gutes bewirken wollten. Dabei ist es nicht gelungen, die eigenen Ansprüche zu erfüllen. Die Kritik zielt nicht allein darauf, wie oft die Bürger nach ihrer Einstellung zur Organspende gefragt werden. Schließlich kann sich heute schon niemand der Werbung für Organspende entziehen, da die Krankenkassen in ihren Mitgliedszeitungen, die Ärzte in ihren Praxen und die Apotheken in ihren Magazinen sowie Auslagen seit Jahrzehnten aktiv um Organspender werben. Unzählige Prominente stellen sich in den Dienst dieser Öffentlichkeitsarbeit. Sicherlich werden mit bezahlter und unbezahlter Werbung mehr als 100 Millionen Euro jährlich ausgegeben. Doch alles, ohne den Anteil der Ausweisträger an den tatsächlichen Organspendern in der Bevölkerung zu erhöhen: Zehn Prozent waren es 1996, heute sind es nicht viel mehr.
Diese Fakten hätten das Parlament aufhorchen lassen müssen, denn mehr Werbung wird es das zentrale Problem der Bevölkerung nicht lösen können. Mangelnde Transparenz und fehlende parlamentarische Legitimation bei der Vergabe von Lebenschancen, können nicht durch emotionale Werbung ausgeglichen werden. Deshalb wäre es an der Zeit gewesen, die staatlich deregulierte Verantwortungslosigkeit abzulegen und die Funktionen der privaten Organisationen wie der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der niederländischen Stiftung Eurotransplant unter parlamentarische Kontrolle und Führung zu stellen. Dieser Mut, etwas wirklich Gutes zu tun, hat den Befürwortern im Bundestag heute gefehlt. Damit ist eine Chance vertan, eine tragfähige Lösung für das drängende Problem im Transplantationssystem zu finden. Wir werden in Deutschland feststellen, dass wir so den Menschen auf der Warteliste leider nicht helfen konnten.
Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutsche Hospiz Stiftung, 25.05.2012.