Nachfolgend sollen die Hauptargumente der Befürworter der Präimplantationsdiagnostik (PID) einer kritischen Analyse unterworfen werden. Denn erst durch eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Argumenten kann man erkennen, dass die PID keine wirkliche Hilfe für Eltern sein kann, die sich ein gesundes Kind wünschen.
1. "Die PID ermöglicht es Eltern, gesunde Kinder zu bekommen"
These: Mit Hilfe der PID können Eltern mit einer genetischen Vorbelastung gesunde Kinder bekommen.
Antithese: Die Statistik der letzten Jahre zeigt, dass diese Aussage trügerisch ist. Die PID erkennt nur einen Teil möglicher Behinderungen, in manchen Fällen ist die Untersuchungsmethode selbst sogar der Auslöser für eine Schädigung des Embryos.
2. "Die Zulassung der PID lässt sich auf wenige Ausnahmen beschränken"
These: Die PID lässt sich klar auf wenige, sehr schwere Behinderungen begrenzen.
Antithese: Die Realität zeigt, dass auch mit einer sehr begrenzten Zulassung der PID ein Prozess beginnt, dessen Grenzen in der Zukunft immer weiter zulasten des Embryos verschoben werden. So hatte Frankreich bis vor kurzem noch eine restriktive Zulassung der PID, inzwischen ist dort die Erzeugung und Auswahl eines "Rettungskindes" für die Stammzellenspende an ein krankes Geschwisterkind zulässig. Auch die zunehmende Ausweitung der Pränataldiagnstik (PND) in Deutschland widerspricht der Behauptung, dass sich eine verfügbare Selektionsmethode dauerhaft einschränken lässt.
3. "Die PID verhindert (Spät)abtreibungen"
These: Durch die PID werden Embryonen mit einem Gendefekt vorzeitig ausselektiert, was die Wahrscheinlichkeit auf gesunde Kinder erhöht und somit die Anzahl der Abtreibungen verringert.
Antithese: Dafür gibt es aber keinen Beleg. So gelten Schwangerschaften nach PID gelten grundsätzlich als Risikoschwangerschaften und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu - durch die PID nicht entdeckbare - Behinderungen kommt, ist groß. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft der Paare, welche eine PID durchgeführt haben, ein behindertes Kind zu akzeptieren, geringer als bei normalen Schwangerschaften ist. Letztlich werden auch mit PID weiter viele (Spät)abtreibungen durchgeführt werden.
4. "Wer Abtreibungen zulässt, muss auch die PID freigeben"
These: Wenn man Abtreibungen, welche mit der Behinderung des Kindes begründet werden, akzeptiert, dann muss man auch die PID als Selektionsmethode zulassen, denn sonst besteht ein Wertewiderspruch.
Antithese: Zum einen ist eine Abtreibung in Deutschland weiterhin verboten, sie ist nur straffrei gestellt. Zum anderen kann es sich bei einer natürlich zustande gekommenen Schwangerschaft um eine nicht vorhersehbare, oft existenzielle Konfliktsituation handeln. Bei einer künstlichen Befruchtung mit anschließender PID-Selektion handelt es sich immer um eine langfristig und sorgfältig geplante Schwangerschaft. Hier wird die Konfliktsituation, mit welcher die Selektion zur Verhinderung einer späteren Abtreibung begründet wird, erst künstlich geschaffen. Es gibt immer den ethisch einwandfreien Weg, auf eine künstliche Befruchtung zu verzichten.
5. "Die PID ist bereits in vielen anderen Ländern zugelassen"
These: Es ist nicht nachvollziehbar, dass die PID in Deutschland verboten ist, während sie im benachbarten europäischen Ausland weit reichend praktiziert wird.
Antithese: Die rechtliche Situation in anderen Ländern kann keine Vorgabe für die gesetzlichen Normen in Deutschland sein, sonst könnten wir komplett auf eine eigene Gesetzgebung verzichten. In anderen Ländern gibt es aufgrund andere Verhältnisse und einer anderen Geschichte teilweise abweichende ethische Normen. Hier sei nur die Todesstrafe in den USA oder die aktive Sterbehilfe, selbst für Minderjährige, in den Niederlanden genannt.
6. "Die Freigabe der PID hat keinen Einfluss auf bereits geborene Menschen mit Behinderungen"
These: Die PID soll nur Eltern helfen, gesunde Kinder zu bekommen. Sie stellt kein Werturteil über Behinderungen oder Behinderte im Allgemeinen dar.
Antithese: Da die PID letztlich einem Auswahlkatalog folgen wird, der die Welt in akzeptable und nicht akzeptable Behinderungen einteilt, ist sehr wohl ein Einfluss auf den Umgang mit Behinderten zu erwarten. Behinderungen werden dann als vermeidbares Leid thematisiert, als etwas Defizitäres, Mangelhaftes und Auszusortierendes. Dieser Perspektivwechsel, was Menschen mit Behinderungen angeht, kann zu einer Gesellschaft führen, die den Begriff der Menschenwürde nicht mehr vorbehaltlos trägt und die uns dann allen möglicherweise nicht mehr die Lebensqualität und die Würde bietet, die wir eigentlich von ihr verlangen. Daher wenden sich die Behindertenverbände massiv gegen eine Freigabe der PID.
Diese Argumentationshilfe basiert auf der Diskussion im Deutschen Bundestag zur PID und dem Positionspapier von Frau Dr. Böhmer (MdB). Sie wurde für den Lebensschutz in Rheinland-Pfalz von S. Grieser-Schmitz überarbeitet und ergänzt.
Letzte Änderung: 26.04.2011