Pränatale Bluttests - Hintergrundinformationen
Seit August 2012 wird auch in Deutschland Frauen mit einer Risikoschwangerschaft (z. B. wenn die Frau älter als 35 Jahre ist) die Möglichkeit angeboten, einen vorgeburtlichen Bluttest auf Chromosomenanomalien, d. h. zu erwartende Missbildungen des Kindes, durchzuführen. Bei diesem Test werden Fragmente der DNA des Embryos aus dem Blut der Mutter extrahiert und in einem zentralen Labor untersucht. Der Test findet normalerweise in der neunten bis elften Schwangerschaftswoche statt, das Ergebnis liegt dann nach weniger als einer Woche vor. Mit diesem Test kann man noch vor Ende der zwölften Schwangerschaftswoche (bis dahin ist eine Abtreibung nach der Beratungsregelung straffrei möglich) Chromosomenveränderungen, wie sie bei Trisomie 21 (Down Syndrom), Trisomie 18 oder Trisomie 13 auftreten, mit einer Zuverlässigkeit von über 99 % erkennen. Weiterhin wird auch das Geschlecht des Kindes festgestellt. Über den Grad einer möglichen Behinderung macht der Test hingegen keine Aussage. Auch bleiben nicht genetisch bedingte Behinderungen wie z. B. Organfehlbildungen oder weitere z. B. durch Infektionen oder Umweltgifte verursachte Erkrankungen, die erst während der Schwangerschaft oder der Geburt entstehen – sie machen den weitaus größten Anteil aus - weiterhin unerkannt. Der Test wird momentan von drei Firmen (LifeCodexx, Ariosa Diagnostics Inc. und Natera Inc.) angeboten, von denen nur LifeCodexx seinen Sitz in Deutschland hat und somit der deutschen Rechtsprechung unterliegt. Die Genehmigung dieses Labortests wurde durch die zuständige Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (B90/Die Grünen) in 2012 erteilt. Die Kosten für pränatale Bluttests werden bisher nur von einigen Krankenkassen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen übernommen, da der Test zu den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) zählt. Momentan liegen die Kosten bei ca. 400 Euro, wobei über die vergangenen Jahre ein starker Preisverfall zu beobachten war. Es ist aber absehbar, dass die Kosten bei Risikoschwangerschaften zukünftig von den Krankenkassen als Regelleistung übernommen werden. Der Antrag auf Zulassung als Kassenleistung ist im August 2016 von den Herstellern bereits beim Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) eingebracht worden und steht in der nächsten Zeit zur Entscheidung an. Ab dann wäre dieser Nicht-Invasive-Bluttest bei Schwangeren grundsätzlich von den Kassen zu bezahlen, wenn er in Anspruch genommen wird.
Pränatale Bluttests - ethische Einstufung
Pränatale Bluttests haben das primäre Ziel, möglichst früh während der Schwangerschaft die genetischen Eigenschaften des Kindes zu ermitteln. Die durch diese Tests festgestellten Merkmale wie Geschlecht oder mögliche Behinderung des Kindes sind aber nicht änderbar oder heilbar. Diese Tests sind also von grundsätzlich anderer Natur als normale Vorsorgeuntersuchungen, denn ihr Ziel ist nicht die Heilung von Krankheit, sondern die frühe Selektion von Menschen mit Behinderung. Als Konsequenz werden z. B. bereits heute in Deutschland bei Entdeckung von Trisomie 21 durch einen Bluttest über 90 % der Kinder durch eine Abtreibung getötet.
Pränatale Bluttests - gesellschaftliche Auswirkungen
Da pränatale Bluttests als Untersuchungsmethode für die Mutter und abhängig vom Ergebnis auch für das Kind – im Gegensatz zur Fruchtwasseruntersuchung – weitgehend risikofrei sind, ist – insbesondere bei einer Kassenfinanzierung – mit einer weiten Verbreitung zu rechnen. Die Beschränkung auf Risikoschwangerschaften wird nicht haltbar bleiben und der Test wird eine Regeluntersuchung bei Schwangeren werden. So wird eine gesellschaftliche Erwartung erzeugt werden, diese Angebote auch nutzen zu müssen. Eltern, die sich dann gegen den Test oder wissentlich für ein behindertes Kind entscheiden, werden einem erhöhten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sein, warum sie sich nicht für ein „perfektes“ Kind entschieden haben. Der Staat wiederum wird in den Rechtfertigungszwang kommen, wieso er auf der einen Seite die Integration von Behinderten in die Gesellschaft vorantreiben möchte (Inklusion) und auf der anderen Seite ein vorgeburtliches Selektionsinstrument für die gleiche Personengruppe unterstützt und sie damit zu Bürgern zweiter Klasse erklärt. Bei Bevölkerungsteilen, in denen ein Sohn mehr zählt als eine Tochter, ist zu erwarten, dass die Ermittlung des Geschlechts des Kindes (ein Nebenprodukt des Tests) ebenfalls für eine Selektion genutzt wird, wie es heute schon in Ländern wie Indien oder China in großem Umfang der Fall ist.
Präimplantationsdiagnostik - notwendige Konsequenzen
Diese Tests stellen nur Merkmale fest, die sich nicht ändern oder heilen lassen und sind somit ein reines Selektionsinstrument, welches helfen soll, dem idealen Wunschkind durch Auslese näher zu kommen. Die Abtreibungsquote von über 90 % nach einer Erkennung von Trisomie 21 ist hierfür ein Beleg. Die Klassifizierung und Selektion von Menschen nach ihren Eigenschaften und Fähigkeiten, die Beurteilung durch andere, ob ihr Leben lebenswert sei, ist nicht mit der Würde des Menschen nach Art. 1 Grundgesetz vereinbar. Daher sollte der Bundestag ein Verbot der Kassenfinanzierung von pränatalen Bluttests beschliessen. Es muss weiterhin sichergestellt werden, dass keine Schwangere zur Durchführung eines solchen Bluttests genötigt werden kann.
Letzte Änderung: 04.06.2017