Organisierte Suizidbeihilfe jetzt durch die gesetzliche Hintertür?
Am 7.5.2010 hat der rheinland-pfälzische Justizminister Bamberger (SPD) einen Gesetzesentwurf eingebracht, welcher die Werbung für die Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen soll. Hierzu wird ein neuer §217 StGB vorgeschlagen, welcher die Werbung für Suizidbeihilfe unter Strafe stellt, soweit diese Werbung entweder grob anstößig ist oder der Werbende durch die Suizidbeihilfe einen Vermögensvorteil gewinnen würde. Informative Werbung sowie Werbung ohne kommerzielle Interessen sind hingegen in der Gesetzesbegründung explizit von der Strafbarkeit ausgenommen. Auch wird generell die Unbedenklichkeit der Beihilfe zur Selbsttötung bestätigt.
Wer aber fatalerweise nur die Werbung für Beihilfe zum Selbstmord unter Strafe stellen will, kuriert an Symptomen und nicht an der Krankheit. Deshalb ist der Gesetzesentwurf in keiner Weise geeignet, die Ausnutzung der "Augenblickssituation einer Lebenskrise verzweifelter Menschen" (Zitat aus der Begründung des Gesetzesantrages) zu verhindern. Denn der Todeswunsch ist in aller Regel Ergebnis eines depressiven Zustandes und nicht einer überlegten und freien Entscheidung des Patienten. Suizidgefährdete Menschen sterben nicht etwa durch Werbung für Suizidbeihilfe, sondern durch die Beihilfetat selbst. Die Argumentation, dass ein solches Gesetz die Menschen vor der Annahme eines manipulativen Angebots der Suizidbeihilfe schützen soll, welches ihrem frei verantwortlichen Selbsttötungswillens nicht entspricht, will dazu glauben machen, dass es einen frei verantwortlichen Suizidwillen gibt. Dann aber wäre es uneingeschränkt legitim und legal, diesem Willen zu entsprechen und dürfte dann sogar weder Ärzten noch Pflegern oder anderen untersagt werden, selbst wenn es gewerblich oder kommerziell motiviert sein sollte.
Abgesehen davon, dass sich heute profitorientierte Werbung und sonstige Public-Relations-Maßnahmen nicht mehr hinreichend genau unterscheiden lassen (wie der Fall Kusch belegt) machte es bei der jetzt vorgelegten Gesetzesbegründung auch keinen Sinn, wenn das neue Gesetz Werbung für eine Tat bestrafte, die selbst straffrei bleibt. Angesicht von weit über 100.000 Selbstmordversuchen jährlich droht damit die Gefahr, dass zunehmend Menschen in einer schwierigen Lebenskrise die wirklich notwendige Hilfe zur Bewältigung ihrer bedrohlichen Situation noch weiter verlieren und stattdessen, wie z.B. in der Schweiz, zukünftig Beihilfe durch spezialisierte Tötungsexperten sogar legitimiert wird.
Die Gefährlichkeit des vorgelegten Gesetzesentwurfes liegt darin, dass er das Tor zum assistierten Suizid auch in Deutschland weit öffnet. Denn nicht die Werbung machen aus einer guten Tat eine schlechte, sondern das Angebot der Beihilfe zur Selbsttötung selber ist das moralisch Verwerfliche. Eine menschliche Gesellschaft darf nicht den scheinbar leichten Weg des Todes anbieten, sondern sie muss ein Umfeld schaffen, indem die Beihilfe zu einem vorzeitigen Tod erst gar nicht angeboten wird. Palliativmedizin und Hospiz-Fürsorge sind statt dessen die richtigen Wege, keinesfalls aber nur ein vages Werbeverbot für die Suizidbeihilfe, dessen Wirksamkeit von Strafrechtlern stark bezweifelt wird. Wer das Problem der Suizidbeihilfe lösen will, muss es an der Wurzel packen und darf sich nicht mit einer Alibilösung zufrieden geben.
Hier finden Sie den originalen Antrag 149/10 des Landes Rheinland-Pfalz zur Strafbarkeit der Werbung für Suizidbeihilfe.
Ein Kommentar von Stefan Grieser-Schmitz