Nachfolgend sollen die Hauptargumente der Befürworter der aktiven Sterbehilfe einer kritischen Analyse unterworfen werden. Denn erst durch eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Argumenten kann man erkennen, dass die aktive Sterbehilfe im Kern eine menschenunwürdige Alternative ist, die in einer zivilisierten Gesellschaft keinen Platz haben darf.
1. "Das Mitleid mit schwerkranken Patienten gebietet das Angebot der aktiven Sterbehilfe"
These: Das Mitleid mit einem schwerkranken Menschen, der sterben möchte, aber sich selbst nicht töten kann oder will, gebietet, dass die Gesellschaft diesen Selbstmordwunsch stellvertretend für ihn ausführt. Dies ist daher kein Verbrechen, sondern einen Gnadenakt aus Mitleid.
Antithese: Mitleid ist subjektives Gefühl und kann daher auf andere Menschen bezogen zu fehlerhaften Einschätzungen und somit falschen Entscheidung führen. Selbst nahe Angehörige können die Situation eines Kranken meist nicht richtig einschätzen und ihr Mitleid kann zu einer Überbewertung eines spontan geäußerten Todeswunsches führen, welche vielleicht am nächsten Tag schon wieder revidiert wird. Wer daher einen Menschen wirklich liebt, sollte sich weniger von seinem eigenen Mitleid leiten lassen, sondern Wege suchen, die dem Kranken ermöglichen, die letzte Zeit seines Lebens menschenwürdig zu verbringen. Die Palliativmedizin bietet solche Wege in vorbildlicher Weise an.
2. "Die aktive Sterbehilfe soll nur einen langen und qualvollen Sterbeprozess abkürzen"
These: Aktive Sterbehilfe ist häufig die einzige Möglichkeit, seelisches Leid und körperliche Qualen zu beenden. Da am Ende eines solchen qualvollen Sterbens auch der Tod steht, ist eine Abkürzung des Leidens durch eine aktive Sterbehilfe zulässig.
Antithese: Die Realität eines qualvollen Sterbens gehört zum Glück der Vergangenheit an. Die heutige Palliativmedizin ermöglicht fast immer eine weitgehende Behandlung der Schmerzen, wobei der Patient allgemein bei vollem Bewusstsein bleibt und bis kurz vor dem Tod ein akzeptable Lebensqualität hat. Wer daher heute noch das Schreckensbild eines langen und schmerzvollen Todeskampfes bemüht, kennt entweder die moderne Palliativmedizin nicht oder macht sich einer unseriösen Argumentation schuldig.
3. "Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe spart erhebliche Kosten im Gesundheitssystem"
These: In seinen letzten Lebensjahren verursacht ein Mensch höhere Gesundheitskosten als in seinem gesamten Leben zuvor. Zumindest ein Teil dieses Geldes könnte man durch eine gezielte Lebensbeendigung bei aussichtslosen Erkrankungen besser für andere Patienten verwenden.
Antithese: Würdige Lebensverlängerung ist immer aufwendiger als der schnelle Tod - aber darf daher ein Mensch aus Kostengründen vorzeitig getötet werden? Nein, denn die Menschenwürde verbietet es grundsätzlich, dass das Lebensrecht eines Menschen nach seinem Wert für die Gesellschaft bewertet wird. Von einer aktiven Sterbehilfe aus Kostenerwägungen zu einem Euthanasieprogramm, wie es im Dritten Reich realisiert wurde, wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt.
4. "Der Mensch hat das Recht, sein Leben selbst zu beenden, wann immer er will"
These: Die Freiheit des Einzelnen schließt auch das Recht ein, dass er frei über sein eigenes Leben verfügen kann. Dies umfasst auch die Entscheidung, seinem eigenen Leben durch einen Selbstmord ein Ende zu setzen.
Antithese: Die aktive Sterbehilfe ist keine autonome Entscheidung, da sie voraussetzt, dass eine andere Person die Tötungshandlung durchführt und von der Gesellschaft erwartet, dass eine solche Handlung geduldet oder sogar unterstützt wird. Daher kann man sich nicht auf seine eigene Freiheit berufen, wenn man die aktive Sterbehilfe einfordert. Denn diese Freiheit endet dort, wo sie andere zu Handlungen zwingt, die diese aus moralischen Gründen ablehnen.
5. "Die Legalisierung der Sterbehilfe entspricht dem Wunsch der Bevölkerung in Deutschland"
These: Bei Umfragen spricht sich regelmässig eine deutliche Mehrheit der Befragten für die Einführung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland aus (74% für die Sterbehilfe, 20% gegen die Sterbehilfe, Forsa 2005).
Antithese: Das Ergebnis von Umfragen hängt sehr stark von der Fragestellung ab. Bei Umfragen, welche sich deutlich für die Legalisierung der Sterbehilfe aussprechen, wurden die Alternativen zur Sterbehilfe nicht aufgeführt. Bei Fragestellungen wie "Sind Sie für die aktive Sterbehilfe oder wollen Sie das Leiden durch die Palliativmedizin und Hospizdienste lindern?" spricht sich hingegen eine deutliche Mehrheit gegen die aktiven Sterbehilfe aus (35% für die Sterbehilfe, 56% gegen die Sterbehilfe, Emnid 2005). Insoweit sind Umfragen ein schlechter Ratgeber bei dieser zentralen Frage des Lebensschutzes.
6. "Es darf in Deutschland keinen Zwang zum Leben geben"
These: Wer die aktive Sterbehilfe ablehnt, zwingt todkranke Menschen ihr Leben unter Qualen fortzusetzen. Hierzu hat die Gesellschaft kein Recht.
Antithese: Das Verbot der aktiven Sterbehilfe beinhaltet keine Pflicht zum Leben. Es geht bei diesem Verbot allein darum, dass kein Unschuldiger in Deutschland getötet werden darf. Das polemische Argument des Lebenszwanges überdeckt auch den eigentlichen Wunsch der Betroffenen, dass sie schmerzfrei, akzeptiert und in Würde sterben können. Hier helfen nur die Palliativmedizin und die Hospizbewegung, die Freigabe der aktiven Sterbehilfe wäre hingegen die Kapitulation der menschlichen Gesellschaft.
7. "Nur eine Legalisierung der Sterbehilfe schafft einen klaren rechtlichen Rahmen"
These: Durch eine Legalisierung der Sterbehilfe wird ein klarer rechtlicher Rahmen geschaffen, welcher auch den Missbrauch der aktiven Sterbehilfe verhindert.
Antithese: Die Erfahrungen in den Niederlanden zeigen leider, dass dort eine erhebliche Anzahl von Menschen getötet wurden, deren explizites Einverständnis nicht vorlag. Das Misstrauen in einen überwachten Ablauf ist dort inzwischen so groß, dass einige Holländer eine "Credo Card" mit dem Aufdruck "Maak mij niet dood, Doktor" bei sich tragen, um nicht versehentlich euthansiert zu werden. Auch setzt eine Legalisierung der Sterbehilfe die Achtung vor dem Leben weiter herab und schnell wird die Forderung laut werden, auch noch die wenigen Grenzen die eines
solchen Gesetz definiert, einzureißen.
Letzte Änderung: 10.04.2011