Als Lebensrechtlerin, Ärztin und ALfA-Bundesvorsitzende werde ich oft gefragt, was ich persönlich von der Entscheidung des Bundestages halte, die „geschäftsmäßige Suizidhilfe“ bei Strafe zu verbieten, alle anderen Formen aber straffrei zu lassen.
Mein Antwort fällt dann etwa so aus: Ich bin unzufrieden, aber dankbar.“ Das klingt sicher merkwürdig. Dankbar sind wir ja meist für die Dinge, die auch zufrieden stellen. Ein Lebensrechtler kann aber mit dem, was das Parlament beschlossen hat, unmöglich zufrieden sein.
Um zu begründen, warum ich dennoch dankbar bin, muss ich ein wenig ausholen. Die Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland – hier haben unsere Gegner einmal Recht – seit mehr als 140 Jahren straffrei. Das heißt nicht – und hier haben unsere Gegner schon wieder Unrecht –, dass der Staat die Beihilfe zur Selbsttötung gutgeheißen hätte. Wohl aber hat er sie toleriert, was auch daran erkennbar ist, dass bis heute kein einziger Arzt wegen Beihilfe zum Suizid verurteilt wurde.
Das neue Gesetz ermöglicht es nun erstmals, „Ärzte“ wie den Urologen Uwe-Christian Arnold, der bei rund 300 Suiziden assistiert haben soll, sowie die Verantwortlichen von Vereinen wie „Sterbehilfe Deutschland“ vor Gericht zu stellen und aus dem Verkehr zu ziehen. Dies wird, und dafür bin ich dankbar, vielen suizidgefährdete Menschen das Leben retten.
Dennoch hätte auch ich mir ein strengeres Gesetz gewünscht. Eines, das wie der Entwurf der CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger und Hubert Hüppe ein Verbot jedweder Suizidhilfe ermöglicht hätte. Die Beihilfe zum Suizid ist moralisch immer verwerflich und wird es nicht erst, wenn sie „geschäftsmäßig“ ausgeübt wird, also auf Wiederholung angelegt ist. Die ALfA hat deshalb von Anfang an den Entwurf der Abgeordneten um Sensburg, Dörflinger und Hüppe unterstützt und für ihn geworben. Leider wurde jedoch schon früh deutlich, dass es im Parlament für ihn keine Mehrheit geben und aus dem Vierkampf der miteinander konkurrierenden Entwürfe ein Zweikampf werden würde.
Wer nicht bloß über, sondern mit den Abgeordneten sprach, wusste früh, dass das „ethisch Gebotene“ und „politisch Erreichbare“, wie es ein Kommentator kürzlich auf den Punkt brachte, in der zur Entscheidung anstehenden Frage Lichtjahre auseinanderlagen.
Die politisch erreichbare Alternative zum Brand/Griese-Entwurf bestand eben leider nicht im Sensburg/Dörflinger/Hüppe-Entwurf, sondern im Hintze/Lauterbach-Entwurf. Letzterer hätte nicht nur – wie das bisher geltende Recht – jede Suizidhilfe toleriert, sondern auch noch das Standesrecht der Ärzte über den Haufen geworfen und die Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben.
Man kann sicher – und Lebensrechtler tun dies ja auch längst – darüber streiten, wie umfangreich und gravierend die negativen Auswirkungen sein werden, die dem Lebensschutz daraus erwachsen, dass der Brand/Griese-Entwurf das Verbot der Suizidhilfe auf die geschäftsmäßig durchgeführte beschränkt. Zur Fairness gehört aber dann auch, sich Rechenschaft darüber abzulegen, ob der Hintze/Lauterbach-Entwurf oder die Beibehaltung der völligen Straffreiheit für jedwede Suizidhilfe nicht noch schlechter gewesen wären.
Dezember 2015, Dr. med. Claudia Kaminski, Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA)