Hintergründe des gescheiterten Verbotsantrages
In der Legislaturperiode 2009-2013 hatte die damalige Koalition aus CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart, die organisierten Sterbehilfe zu verbieten. Das dieses Projekt scheiterte, ist insbesondere der ehemaligen FDP-Justizministerin zu "verdanken". Frau Leutheuser-Schnarrenberger wollte über ein alleiniges Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe eine höhere Akzeptanz der nicht-kommerziellen Formen der Suizidbeihilfe erreichen und ihr Ministerium stellte einen entsprechenden Antrag vor. Dies hätte die Intention der Koalitionsvereinbarung zur Einschränkung der Suizidbeihilfe pervertiert.
Verbot der organisierten Suizidbeihilfe - ein neuer Anlauf in 2014
Die neue Koalition aus CDU/CSU und SPD hat vereinbart, dass der Bundestag in der Legislaturperiode 2013-2017 über ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe abstimmen soll. Der Antrag hierfür wird aber nicht aus dem Justizministerium, sondern aus dem Bundestag selber als Gruppenantrag kommen. Weitere Informationen über den aktuellen Stand der Debatte können unter geplantes Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe nachgelesen werden.
Der in der Legislaturperiode 2009-2013 geplante Antrag zum Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe
Die Bundesregierung plant, wie es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vereinbart wurde, die gewerbliche Suizidbeihilfe in Deutschland unter Strafe zu stellen.
Hierzu gibt es bereits einen Gesetzesentwurf zum Verbot der gewerblichen Suizidbeihilfe des Bundesjustizministeriums, welcher am 19.11.2012 die erste Lesung im Bundestag durchlaufen hat. Im Wesentlichen möchte er einen neuen §217 im Strafgesetzbuch einführen, welcher die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt:
§217 Gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung
- Wer absichtlich und gewerbsmäßig einem anderen Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- Ein nicht gewerbsmäßig handelnder Teilnehmer ist straffrei, wenn der im Absatz 1 genannte andere sein Angehöriger oder eine andere ihm nahestehende Person ist.
Auf denen ersten Blick stellt dieser Entwurf eine Verschärfung der bestehenden rechtlichen Lage dar, da momentan auch die kommerzielle Beihilfe zur Selbsttötung strafrechtlich nicht verfolgt wird. Doch dient der Gesetzesentwurf wirklich dem elementaren Anliegen des Grundgesetzes, das Lebensrecht eines jeden Menschen und die Wertschätzung seiner Person bis zu seinem natürlichen Tod zu schützen? Würde ein solches Gesetz eine wirksame Barriere gegen den steigenden Druck auf alte und kranke Menschen, sozialverträglich zu sterben, darstellen?
Eine nähere Betrachtung zeigt, dass dieses Ziel nicht nur verfehlt wird, sondern es ist sogar zu befürchten, dass es einer generellen Aufwertung der Suizidbeihilfe Vorschub leistet. Denn es verbietet mit der kommerziellen Suizidbeihilfe jedoch nur einen kleinen Sektor der Sterbehilfe, welcher in der Realität keine Rolle spielt. Der viel größere Bereich der privaten oder der organisierten Suizidbeihilfe bleibt weiterhin straffrei. So sind die Tätigkeiten der momentan in Deutschland aktiven Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas oder des Sterbehilfe Deutschland e.V. auch mit dem neuen §217 weiterhin unbeeinträchtigt möglich. Wenn man es genau analysiert, dann gibt es keine Organisation in Deutschland, deren Suizidbeihilfe durch das neue Gesetz unterbunden würde. Das Gesetz wäre so wirksam gegen Suizidbeihilfe, wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung für PKW auf dem Mars für die Verkehrssicherheit in Deutschland.
Darüber hinaus ist zu befürchten, dass durch ein alleiniges Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe die weiterhin erlaubte organisierte sowie die private Beihilfe mit staatlichem Segen versehen werden, da sie ja explizit nicht unter Strafe gestellt wurden. Dies würde, ähnlich wie es bei der nach Beratung weiterhin rechtswidrigen aber straffreien Abtreibungen zu beobachten ist, zu einer weitgehenden Akzeptanz der Suizidbeihilfe als Hilfe zur „natürlichen“ Lebensbeendigung führen. Es würde nicht mehr versucht, die Gründe für einen Suizidwunsch zu ergründen und durch adäquate Hilfe den Lebenswillen wieder zu stärken, sondern es würde der für die Gesellschaft bequemere, preiswertere und nun auch staatlich sanktionierte Weg der Hilfe zur Selbsttötung begangen werden.
Für die Verabschiedung des neuen §217 StGB war ursprünglich der folgende Zeitplan vorgesehen:
Erste Lesung:
Expertenanhörung:
Zweite und dritte Lesung:
Zustimmung des Bundesrats:
Inkrafttreten des §217:
29.11.2012 um Mitternacht (!)
12.12.2012
31.01.2013 (ausgesetzt)
01.03.2013 (nicht mehr möglich)
unbestimmt
Wie man sieht, war für dieses Gesetz, bei dem es um „Leben und Tod“ geht, nur ein sehr kurzer Zeitraum für einen fundierten gesellschaftlichen Diskurs vorgesehen. Um der Tragweite des Anliegens gerecht zu werden, sind jedoch zwei Monate Beratungszeit zu wenig und es bestehen kein Zeitdruck, übereilt ein unzureichendes Gesetz zu verabschieden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums aus Sicht des Lebensschutzes abzulehnen ist. Bevor übereilt ein unzureichendes und in schlimmsten Fall sogar kontraproduktives Gesetz erlassen wird, sollte die zweite und dritte Lesung verschoben und ein Entwurf erarbeitet werden, welcher dem Schutz des Lebens wirklich gerecht wird.
Inzwischen gibt es auch einen alternativen Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion, welcher auch die organisierte Suizidbeihilfe und die Werbung für die Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen möchte und somit der eigentlichen Intention des Koalitionsvertrag deutlich näher kommt, als dies der unzulängliche Entwurf aus dem Justizministerium tut. Die ursprünglich für den 31.01.2013 geplante Abstimmung im Bundestag wurde ausgesetzt.
Kritische Stellungnahmen von Lebensrechtsorganisationen zum geplanten alleinigen Verbot der kommerziellen Suizidbeihilfe
Stellungnahme der Christdemokraten für das Leben (CDL):
CDL fordert die uneingeschränkte Strafbarkeit der Suizidbeihilfe.
Stellungnahme des Ethikrates:
Bericht der Expertenanhörung vom 27.09.2012.
Stellungnahme der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS):
Die Experten der Suizidprävention sind besorgt über die aktuelle Sterbehilfediskussion.
Stellungnahme der Patientenschutzorganisation "Deutsche Hospizstiftung":
Ein alleiniges Verbot der gewerbsmäßigen Sterbebeihilfe ist unzureichend.
Stellungnahme der Bundesärztekammer:
Es ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, wenn der Suizid von Menschen in verzweifelter Lebenssituation planmäßig organisiert wird.
Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz (DBK):
Die deutschen Bischöfe sprechen sich für ein umfassendes Verbot organisierter Beihilfe zur Selbsttötung aus.
Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD):
Die Evangelische Kirche in Deutschland fordert, dass jede Form der organisierten Suizidbeihilfe zu verbieten ist.
Stellungnahme der Lebensrechtsorganisation ALfA:
Gesetzliches Verbot jeglicher organisierter Suizidbeihilfe.
Stellungnahme des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL):
Jede Beihilfe zum Suizid muss verboten sein.
Stellungnahme der Juristenvereinigung Lebensrecht (JVL):
Jede organisierte Förderung der Selbsttötung muss strafrechtlich verboten werden.
Stellungnahme der Ärzte für das Leben:
Generelles Verbot der Suizidbeihilfe.
Weiterhin hat "Lebensschutz Rheinland-Pfalz" die Bundestagsabgeordneten aus Rheinland-Pfalz befragt und ihre Ansichten zur Regelung der Suizidbeihilfe zusammengestellt.
Initiative Solidarität statt Selbsttötung im Bundesverband Lebensrecht
Letzte Änderung: 15.11.2014